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Zwei Eltern mit ihrem Kind

Sorgerecht

Wie ist das Sorgerecht geregelt?

Das Sorgerecht (in Österreich auch Obsorge genannt) regelt die Rechte und Pflichten der Eltern in puncto Pflege, Erziehung, Vermögensverwaltung und gesetzliche Vertretung gegenüber ihrer Kinder. Die Obsorge ist in Österreich im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB) geregelt und landläufig unter dem Begriff „Sorgerecht“ bekannt. Mag. Peter Rittinger, Ihr Anwalt für Familienrecht berät Sie gerne zu diesem Thema. Erfahren Sie, wie das gemeinsame Sorgerecht in Österreich geregelt ist und wie Sie ein alleiniges Sorgerecht beantragen.

Was versteht man unter Sorgerecht?

Unter Sorgerecht versteht man die umfassende Sorge für ein Kind. Das inkludiert die Pflege und Erziehung, die gesetzliche Vertretung sowie die Verwaltung des Vermögens. Bei verheirateten Paaren kommt das gemeinsame Sorgerecht automatisch mit der Geburt des Kindes beiden Elternteilen zu.

Bei nicht verheirateten Paaren erhält zunächst die Mutter die alleinige Obsorge. Wünschen die Eltern ein gemeinsames Sorgerecht, können sie dies durch eine persönliche und gemeinsame Sorgerechtserklärung vor dem Standesamt bestimmen. Diese Erklärung kann bereits vor der Geburt abgegeben werden. Die Voraussetzungen dafür sind die Anerkennung der Vaterschaft und die Einigkeit der Eltern.

An erster Stelle steht im Rahmen des Sorgerechts das Kindswohl: Die Eltern sind dabei an die sogenannte „Wohlverhaltensklausel“ gebunden. Stirbt ein Elternteil, kommt dem anderen Elternteil das Sorgerecht alleine zu. Hatte der verstorbene Elternteil das alleinige Sorgerecht inne, entscheidet das Gericht, auf wen die Obsorge übergeht. Diese Übertragung des Sorgerechts kann auch an Pflegeeltern erfolgen, wenn der zweite Elternteil nicht in der Lage ist, für das Kind zu sorgen.

Trennung & Scheidung: Wer bekommt das Sorgerecht?

Kommt es zu einer Trennung oder Scheidung der sorgeberechtigten Eltern, bleibt das gemeinsame Sorgerecht grundsätzlich für beide Elternteile aufrecht. Wird die häusliche Gemeinschaft aufgelöst, müssen die Eltern vor Gericht eine Vereinbarung darüber treffen, bei wem das Kind hauptsächlich leben wird, also den primären Wohnort festlegen. Es kann auch zu einer anderweitigen Vereinbarung kommen, etwa dass nur noch ein Elternteil, also der Vater oder die Mutter, mit der alleinigen Obsorge betraut wird.

Kommt es nach der Trennung / Scheidung zu keiner einvernehmlichen Lösung, wird über Antrag eines Elternteils ein Sorgerechtsverfahren beim zuständigen Familiengericht (Bezirksgericht) eingeleitet. Sofern es dem Wohl des Kindes entspricht, ist eine temporäre Regelung einzuleiten („Phase der vorläufigen elterlichen Verantwortung“). Nach Ablauf von sechs Monaten wird eine endgültige Entscheidung über die Obsorge des Kindes gefällt.

Wird nur ein Elternteil mit dem Sorgerecht betraut, müssen dem zweiten Elternteil ausreichende Kontaktmöglichkeiten zum Kind eingeräumt werden. Damit auch die Interessen des Kindes vor Gericht mit einbezogen werden, kann ein Kinderbeistand bestellt werden, der die Wünsche und Anliegen von minderjährigen Kindern vertritt. Die dafür anfallende Gerichtsgebühr ist von beiden Elternteilen zu begleichen.

Zum alleinigen Sorgerecht eines Elternteils kann es kommen, wenn die Eltern dies im Rahmen der Scheidung vereinbaren, ein Elternteil das Wohl des Kindes gefährdet oder es zu einer gerichtlichen Entscheidung kommt, weil sich die Eltern nicht einigen können.

Kann man das Sorgerecht verlieren?

Wurden elterliche Pflichten durch grobe Vernachlässigung verletzt oder aus anderen Gründen objektiv nicht erfüllt, kann es zum Entzug des Sorgerechts kommen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn das Kindeswohl in Gefahr ist. Dann kann das Gericht dem Obsorgeberechtigten das Sorgerecht ganz oder teilweise entziehen. Folgende Gründe kommen dafür in Frage: Alkoholmissbrauch, Verstoß gegen das Gewaltschutzgesetz, eine unabgestimmte Übersiedlung ins Ausland sowie Unfähigkeit zur Bewältigung der Erziehungsaufgaben. In solchen Fällen zieht das Bezirksgericht die Familiengerichtshilfe zur Unterstützung bei: Psycholog:innen oder Sozialarbeiter:innen werden der Justiz zur Seite gestellt, um bei der Sammlung der Entscheidungsgrundlagen zu helfen und dazu beizutragen, eine gütliche Einigung herbeizuführen.

Welche Rechte hat der nicht obsorgeberechtigte Elternteil?

Auch wenn ein Elternteil nicht für die Obsorge des Kindes hauptverantwortlich ist, hat er – neben seinen Pflichten – auch umfangreiche Rechte. Dazu gehören das Kontaktrecht (in Deutschland Umgangsrecht genannt), das Informations- und Äußerungsrecht sowie eingeschränkte Vertretungsrechte. Der mit dem Sorgerecht betraute Elternteil ist verpflichtet, den anderen über wichtige Angelegenheiten (Schulerfolge, Krankheiten etc.) zu informieren. Diese Rechte können beschränkt werden, wenn das Kindeswohl gefährdet ist.

Der nicht obsorgeberechtigte Elternteil soll die Möglichkeit haben, sein Kind zu treffen und über dessen Leben Bescheid zu wissen. Somit ist der mit dem Sorgerecht betraute Elternteil verpflichtet, den anderen über wichtige Angelegenheiten im Leben des Kindes rechtzeitig zu informieren (Informationsrecht). Schulerfolge, Krankheiten oder ähnliches zählen dazu. Er darf sich außerdem zu Themen das Kind betreffend äußern (Äußerungsrecht). Das Kontaktrecht (früher: Besuchsrecht) sollte zwischen allen Beteiligten einvernehmlich geregelt werden. Ist der obsorgeberechtigte Elternteil verhindert oder nicht anwesend, hat der andere Elternteil während des Kontaktzeitraums ein Vertretungsrecht in Angelegenheiten des täglichen Lebens und ist für die Pflege und Erziehung des Kindes verantwortlich.

Diese Rechte können beschränkt oder entzogen werden, wenn der nicht obsorgeberechtigte Elternteil das Wohl des Kindes gefährdet.

Kindswohl: Was steckt hinter dem Begriff?

Der Begriff „Kindswohl“ umfasst die angemessene Versorgung mit Nahrung, medizinischer Betreuung, Erziehung, Fürsorge, Geborgenheit, Wertschätzung, Akzeptanz, sowie die Förderung von Fähigkeiten und Entwicklungsmöglichkeiten des Kindes. Darüber hinaus soll das Kind geschützt werden: vor Gewalt, Schuldgefühlen, Loyalitätskonflikten oder der Anstiftung zu rechtswidrigen Handlungen. Die Lebensverhältnisse und die Beziehung zum jeweiligen Elternteil sind zentrale Kriterien, die das Gericht bei Obsorgeentscheidungen heranzieht. Bei Verdacht auf eine Gefährdung des Kindeswohls kann das Gericht die Familiengerichtshilfe beiziehen, um sich einen besseren Eindruck zu verschaffen.

Psycholog:innen oder Sozialarbeiter:innen unterstützen dann dabei, Rollenkonflikte zu entschärfen und die Verfahrensdauer zu verkürzen. Sie dürfen direkten Kontakt mit dem Kind aufnehmen und Informationen über die Lebensumstände des Kindes erfragen.

In manchen Fällen kann auch ein Gutachten eines psychologischen oder psychiatrischen Sachverständigen in Auftrag gegeben werden, um vor Gericht eine Entscheidungsgrundlage für die Obsorge des Kindes zu liefern. Bei Obsorgeverfahren besteht KEINE ärztliche Verschwiegenheitspflicht vor Gericht.

Kriterien, die das Gericht in der Praxis bislang bei Obsorgerechtsentscheidungen heranzog, waren etwa folgende:

  • Die Persönlichkeit des Kindes, Bedürfnisse, Fähigkeiten, Entwicklungsmöglichkeiten und Lebensverhältnisse der Eltern
  • Die Beziehung bzw. emotionale Bindung zum jeweiligen Elternteil
  • Kontinuität der Erziehung (Vermeidung eines Schulwechsels und Herauslösens aus dem Freundeskreis aufgrund eines Wohnortwechsels): Das Kind soll bei dem Elternteil bleiben, der im Trennungsfall die Ehewohnung erhält
  • Geschwister sollen, wenn sie bisher gemeinsam aufwuchsen, möglichst nicht getrennt werden
  • Kleinkinder sollen in der Regel bei der Mutter verbleiben, über 14-jährige Söhne eher beim Vater, Töchter eher bei der Mutter
  • Gewaltfreiheit der Erziehung: Dabei soll auch ein potenzieller neuer Lebenspartner des Elternteils einbezogen werden
  • Ist das Kind mündig, sollen auch sein Wille und seine Interessen Gehör finden

Fazit zum Sorgerecht in Österreich

Das Sorgerecht in Österreich (Obsorge) regelt die umfassende Verantwortung für Kinder, also alles was Pflege, Erziehung, Vermögensverwaltung und gesetzliche Vertretung von Kindern betrifft. Während bei verheirateten Paaren beide Elternteile ab der Geburt sorgeberechtigt sind, müssen unverheiratete Paare eine gemeinsame Obsorge aktiv beantragen. Im Mittelpunkt jeder gerichtlichen Entscheidung steht ausnahmslos das Kindeswohl. Besteht der Verdacht, dass dieses in Gefahr sein könnte, können die Behörden eingeschalten werden und etwa ein Sozialarbeiter oder Psychologe als Teil der Familiengerichtshilfe zur Einschätzung der Situation beigezogen werden.

Wenn Sie mehr über das Thema Sorgerecht und Familienrecht erfahren möchten, kontaktieren Sie uns gerne für ein unverbindliches Erstgespräch.

— veröffentlicht am 14.04.2023