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Rechtsanwalt Peter Rittinger beim Ausfüllen der Scheidungspapiere

Einvernehmliche Scheidung: Rechtslage in Österreich

Wussten Sie, dass eine einvernehmliche Scheidung in Österreich erst seit der Novellierung des Ehegesetzes von 1978 möglich ist? Bis dahin musste ein Scheidungsgrund angegeben werden. Heute ist es ausreichend, dass Konsens darüber besteht, dass die Ehe zerrüttet ist, ein gemeinsamer Antrag zur Auflösung der Ehe eingebracht wird und seit einem halben Jahr keine Lebensgemeinschaft mehr besteht. Ihr Rechtsanwalt für Familienrecht und Eherecht beantwortet Ihre Fragen zu diesem Thema.

Wir haben die wichtigsten Informationen zur einvernehmlichen Scheidung für Sie zusammengefasst:

  • Allgemeines zur Scheidung in Österreich
  • Voraussetzungen für eine einvernehmliche Scheidung in Österreich
  • So sieht das Scheidungsverfahren aus
  • Sonderfall: Aufhebung der Ehe

Allgemeines zur Scheidung in Österreich

In Österreich regelt das Ehegesetz (EheG) auch die Scheidung. Per Definition ist eine Scheidung eine „Trennung einer gültigen Ehe durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung (Urteil oder Beschluss)“. Zu unterscheiden ist, ob die Scheidung einvernehmlich oder streitig erfolgt.

Das Verschuldensprinzip gilt dann, wenn eine Ehe unheilbar zerrüttet ist und eine Partei die Schuld daran trägt, etwa durch ehrloses oder unsittliches Verhalten, schwere Eheverfehlung wie zum Beispiel Ehebruch, körperliche Gewalt oder Verletzung der ehelichen Verhaltenspflichten. Da wichtige Scheidungsfolgen vom Verschuldensgrad abhängig sind (etwa wer wem Unterhalt zu leisten hat), wird im Scheidungsurteil zwischen Alleinverschulden eines Ehegatten, überwiegendem Verschulden eines Ehegatten, gleichteiligem Verschulden, minderem Verschulden eines Ehegatten und fehlendem Verschulden differenziert.

Bei einer Zerrüttungsscheidung ist die Schuldfrage unerheblich. Ausschlaggebend ist lediglich, dass die Ehe irreparabel zerrüttet ist. Gründe dafür können eine psychische Krankheit oder vergleichbare Beeinträchtigung (bspw. Alkohol- oder Drogensucht), eine ansteckende oder ekelerregende Krankheit oder einfach die Auflösung der häuslichen Gemeinschaft seit mindestens drei Jahren sein.

Weitere allgemeine Informationen haben wir in dem Blogbeitrag zum Thema Scheidung für Sie zusammengefasst.

Voraussetzungen für eine einvernehmliche Scheidung in Österreich

Um eine Ehe einvernehmlich aufzulösen, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

  • es besteht Einvernehmen zwischen den Ehepartnern über die Scheidung (beide wollen die Scheidung, ein gemeinsamer Scheidungsantrag wird eingebracht)
  • die Ehe wird von beiden Seiten als unheilbar zerrüttet gesehen
  • die eheliche Lebensgemeinschaft besteht seit mehr als sechs Monaten nicht mehr (dabei ist unerheblich, ob beide Ehepartner noch in der gemeinsamen Ehewohnung leben)
  • die Ehegatten müssen dem Gericht eine schriftliche Scheidungsfolgenvereinbarung vorlegen.

Ist einer der Punkte nicht gegeben, kann es zu keiner einvernehmlichen Scheidung kommen.

Scheidungsvereinbarung

Die oben genannte Scheidungsvereinbarung (Scheidungsfolgenvereinbarung) muss eine Einigung über folgende Punkte enthalten:

Man unterscheidet also zwischen Regelungen der Eltern-Kind-Ebene sowie Regelungen die Ehegatten betreffend.

Konkret ist dabei zu klären, wer das Sorgerecht für die Kinder hat (alleinige oder gemeinsame Obsorge), wo die Kinder hauptsächlich wohnen werden, die Dauer und Häufigkeit des Kontakts (Kontaktrecht), welche Unterhaltspflichten gegenüber den Kindern, aber auch gegenüber dem ehemaligen Ehegatten bestehen und wie die ehelichen Vermögenswerte und Ersparnisse oder etwa auch etwaige Schulden aufgeteilt werden.

Mehr Informationen finden Sie in unserem Blog zur Obsorge („Sorgerecht“) sowie zu möglichen Unterhaltsverpflichtungen.

Scheidungsverfahren – Ablauf

Um eine Ehe einvernehmlich zu trennen, ist dafür ein gemeinsamer Antrag beim zuständigen Bezirksgericht notwendig, der im außerstreitigen Rechtsweg verhandelt wird. Es sollte also im Regelfall zu keinen Streitigkeiten oder Schuldzuweisungen vor Gericht kommen; dort wird lediglich der Antrag eingebracht.

Mit dem Antrag sind folgende Dokumente vorzulegen: Heiratsurkunde, Staatsbürgerschaftsnachweise, Geburtsurkunden der ehelichen Kinder, Meldezettel. Darüber hinaus sind die Gerichtsgebühr und eine anfallende Vergleichsgebühr zu bezahlen.

Im Zuge der einvernehmlichen Scheidung dürfen sich die Parteien vor Gericht auch selbst vertreten. Möchten sie sich allerdings vertreten lassen, so muss dies durch einen Rechtsanwalt geschehen (man nennt das „relative Anwaltspflicht“). Für den eher seltenen Fall, dass im Gerichtsbezirk nur ein einziger oder gar kein Anwalt seinen Kanzleisitz hat, könnte man auch jemanden anderen als Vertreter beauftragen – der Vertreter muss in diesem Fall kein Rechtsanwalt sein. Nicht zulässig ist es, dass beide Parteien durch denselben Anwalt vertreten werden.

Gibt es minderjährige Kinder, besteht eine Beratungspflicht: Die Eheleute müssen vorweisen, dass sie sich bezüglich der aus der Scheidung resultierenden Bedürfnisse ihrer Kinder beraten haben lassen – bei einem Kinderpsychologen / -psychiater, einer Familienberatungsstelle, der Kinder- und Jugendanwaltschaft oder ähnlichem.

Über den Scheidungsantrag wird anschließend per Beschluss entschieden; die Ehe gilt mit Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses als aufgelöst. Binnen 14 Tagen ab Zustellung des schriftlichen Scheidungsbeschlusses können die Parteien noch Rekurs als Rechtsmittel einlegen, um den Scheidungsantrag zurückzunehmen. Dies ist allerdings nur dann möglich, sofern die Parteien zum Zeitpunkt der Verkündung des Scheidungsbeschlusses nicht auf Rechtsmittel verzichtet haben.

Aufhebung der Ehe

Damit eine Ehe überhaupt rechtswirksam geschlossen werden kann, bedarf es mehrerer Voraussetzungen:

  • zwei Personen
  • übereinstimmende Willenserklärung beider Personen
  • Mitwirkung eines Standesbeamten, der den Personenstand der Beteiligten verändert (von „ledig“ auf „verheiratet“)

Liegt ein Erfordernis nicht vor, ist die Trauung unwirksam (man spricht von einer „Nicht-Ehe“).

Darüber hinaus müssen beide Personen ehefähig sein, also volljährig und hinreichend entscheidungsfähig, und es darf kein Eheverbot, wie beispielsweise Blutsverwandtschaft oder eine noch existierende Ehe (Doppelehe) vorliegen. Auch eine Eheschließung zur Erlangung der Staatsangehörigkeit stellt einen Grund dar, die Ehe im Nachhinein für nichtig erklären zu lassen.

Neben der Nichtigkeitserklärung ist in einigen Fällen auch eine Aufhebung der Ehe möglich: Etwa bei Mangel der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters oder bei einem Irrtum über die Eheschließung oder über die Person des anderen Ehegatten. Im ersten Fall kann ein Ehegatte die Aufhebung der Ehe beantragen, wenn er zur Zeit der Heirat minderjährig war und sein gesetzlicher Vertreter die Zustimmung zur Eheschließung nicht erteilt hat. Im zweiten Fall kann ein Ehegatte die Aufhebung der Ehe begehren, wenn er bei der Eheschließung etwa nicht gewusst hat, dass es sich um eine Eheschließung handelt oder er sich in der Person des anderen Ehepartners geirrt hat. Weitere Eheaufhebungsgründe sind arglistige Täuschung durch den Ehepartner oder Drohung.

Sie haben Fragen zu Scheidung, Obsorge oder Unterhaltsansprüchen? Dann kontaktieren Sie uns gerne für ein unverbindliches Erstgespräch.

— veröffentlicht am 09.04.2024